Israels Krieg in Gaza: Zivilisationsbruch eines Verbündeten

kristin Helberg hat in der Berliner Zeitung v. 05.07.2025 eine sehr lesenswerte Kolumne geschrieben mit dem Titel: Israels Krieg in Gaza: Zivilisationsbruch eines Verbündeten. So langsam wird die Kritik an der Genozid-Politik Israels auch für die deutschen Mainstream-Medien salonfähig. Hier einige Auszüge.


Lujain wurde fünf Jahre alt, Ahmad sechs, Haya neun, Qusai zwölf. Vier von 17.121 Kindern und Jugendlichen, die Israel zwischen Oktober 2023 und Juni 2025 getötet hat – eine Schulklasse pro Tag. Internationale Experten gehen von deutlich mehr Opfern aus, denn das Gesundheitsministerium in Gaza registriert nur identifizierte Leichen. Unzählige Vermisste, die unter zerbombten Häusern liegen, sind nicht erfasst.

Was Israel in Gaza anrichtet, ist ein Zivilisationsbruch. Mit der fast vollständigen Zerstörung und Blockade des Gebietes bekämpft die politische und militärische Führung nicht Terroristen, sondern bestraft 2,2 Millionen Menschen kollektiv für die Kriegsverbrechen der Hamas. Die israelische Armee tötet Zivilisten beim Versuch, humanitäre Hilfe zu erhalten, Kinder mit Schüssen in Kopf und Brust, Journalisten und Künstler in einem Café am Strand, Rettungssanitäter im Einsatz. Damit tun die Soldaten, was Kommandeure und Regierungsvertreter von ihnen erwarten – sie zerstören palästinensische Existenz, weil es ihrer Wahrnehmung nach in Gaza keine Unschuldigen gibt.

Viele Israelis sehen das ähnlich. Einer Umfrage der Pennsylvania State University zufolge sind 82 Prozent der jüdischen Israelis für die ethnische Säuberung Gazas, 47 Prozent meint, die IDF solle alle Bewohner eines eroberten Gebietes töten, mehr als die Hälfte (56%) ist außerdem für die Ausweisung ihrer nicht-jüdischen Mitbürger. Völkischer Nationalismus und religiöser Fundamentalismus haben die israelische Gesellschaft von innen zersetzt. Der Genozidforscher Martin Shaw spricht deshalb von einem „demokratischen Genozid“, der nicht nur von der Regierung beabsichtigt und vom Militär umgesetzt, sondern auch von Medien, Politikern und Teilen der Öffentlichkeit unterstützt werde. […]

Wer die von Israel begangenen Verbrechen nur auf radikale Minister zurückführt, kennt sich nicht aus oder fürchtet um seinen Posten. Aber wer im Zusammenhang mit Gaza von einem Kulturkampf gegen das Böse spricht, bedient bewusst die rassistisch-nationalistische Rhetorik eines Trump, Netanjahu, Orban, Putin, Erdogan und Höcke. Sie alle arbeiten daran, den Rechtsstaat auszuhöhlen und andere Menschen abzuwerten, auszugrenzen, als Gefahr darzustellen und zu entmenschlichen. Aktuell sind das vor allem Palästinenser, Muslime und arabische Migranten, aber im Kern geht es um alle, die „anders“ sind oder sich für Gleichberechtigung und Menschenrechte einsetzen. Die palästinasolidarische Bewegung pauschal zu kriminalisieren und mit dem Vorwurf des Antisemitismus zu delegitimieren, dient folglich der Schwächung des Rechtsstaats und normalisiert staatliche Repression. Deshalb gilt: Wer liberale Demokratie erhalten will, muss jetzt für die Menschen in Gaza seine Stimme erheben.

Millionen weltweit haben das verstanden, selbst in Deutschland erwacht die „bürgerliche Mitte“. Viele haben sich wegen Gaza von der Politik entfremdet, auch Bildungsbürger, Konservative, Humanisten und ehrenamtlich Engagierte, die sich aus historischer Verantwortung den Menschenrechten und dem Völkerrecht verpflichtet fühlen. Zehntausende sind bei der Demonstration United4Gaza vor zwei Wochen durch Berlin gezogen. Wenn CDU-Politiker dort nur „Islamisten“ und „Israel-Hasser“ sehen, haben sie entweder keine Ahnung vom Zustand dieser Gesellschaft oder etwas anderes im Sinn.

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