Es gibt mit Datum vom 1. Juli 2025 eine neue Resolution des DGB zum Vernichtungskrieg in Gaza und in der Westbank. Nachzulesen hier.
Detlef Griesche von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Bremen kommentiert:
Auch in der Führung des DGB und der Gewerkschaften findet jetzt etwas Bewegung statt. Nach dem Angriff der Hamas im Oktober 2023 hatten die Vorsitzenden der DGB-Gewerkschaften noch positiv Bezug genommen auf die Reaktion der Bundesregierung, die von vorbehaltloser Unterstützung für Israel als deutsche „Staatsraison“ nach der Merkelschen Festlegung gesprochen hatte. Jetzt wird das immerhin schon das Prinzip der Verhältnismäßigkeit stärker betont.
Es fehlt aber immer noch eine konsequente Ablehnung von Waffenlieferungen an Israel. Es ist zwar ein Fortschritt, dass es überhaupt eine neue Erklärung gibt, aber diese Erklärung bleibt insgesamt einiges schuldig. Es sind Doppelstandards in freundlicheren Worten: Israels Kriegführung „wirft Fragen auf“, „Selbstverteidigung (als ob man das noch annähernd so nennen könnte?) ist kein Freibrief für unbegrenzte Gewalt“. Gefordert wird von allen „Gewalt und v.a. alle völkerrechtswidrigen Handlungen“ zu beenden. Verurteilt werden: „antisemitische Parolen und Übergriffe“, „Antisemitismus und anti-muslimischen Rassismus“, „jegliche Gewalt, und, immerhin „die zunehmende Siedlergewalt im Westjordanland sowie die Zwangsumsiedlung palästinensischer Gemeinden“.
Aber die Kriegsverbrechen und die völkermörderische Kriegführung Israels werden nicht klar und eindeutig verurteilt, sondern angetippt und damit verharmlost, dabei ist die Brutalität und das Ausmaß der Kriegsverbrechen durch die israelische Armee inzwischen weltweit diskutiert und verurteilt.
Positiv an der Erklärung ist, dass sie sich an verschiedenen Punkten öffnet, aber in der Konsequenz verhalten bleibt:
- Verurteilung der Gefangennahme israelischer Bürger*innen und Forderung nach deren Freilassung. Das ist aus meiner Sicht eine richtige und wichtige Forderung.
- Die Zerstörungen im Gazastreifen werden grob benannt. Daraus wird gefordert, dass nach den Regeln des Völkerrechts diese Zerstörungen aufhören und die Menschen versorgt werden müssen.
- Die Nutzung der Situation zur Vertreibung der Palästinenser*innen wird erwähnt, aber auf Teile der rechtsgerichteten israelischen Regierung isoliert.
- Die Völkerrechtswidrigkeit des militärischen Einsatzes Israels wird als Position von immer mehr Regierungen erwähnt, eine eigene Position dazu oder eine Forderung an die Bundesregierung dazu fehlt allerdings.
- Dass Kritik an Israel nicht in Gewalt gegen Jüd*innen umschlagen darf, ist aus meiner Sicht sehr richtig.
- Öffnung für eine Kritik an der israelischen Regierung und Nichtgleichsetzung mit Antisemitismus. Die Wortwahl „berechtigte Kritik“ lässt jedoch Fragen aufkommen, was das konkret bedeutet und wer das entscheidet.
- Der Text öffnet sich für das Zeigen von Solidarität mit den Palästinenser*innen, ohne aber selbst zu Aktivitäten aufzurufen.
- Es wird sowohl Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus verurteilt. Der religiöse Anteil an diesem Konflikt wird aus meiner Sicht hier aber überbetont. Auch die Frage, was Antisemitismus ist, wird hier nicht beantwortet.
- Gewalt wird generell verurteilt, dann aber die Gewalt gegen Polizist*innen herausgehoben. Die Gewalt, die von der Polizei ausgeht (mit z.B. oftmals vorkommendem Herausgreifen von Personen und deren Festnahme) wird nicht genannt.
- Betonung des Völkerrechts. Zur Frage des Genozids im Gazastreifen wird jedoch geschwiegen. Dies würde nämlich bedeuten, dass Deutschland verpflichtet ist, einen Völkermord zu verhindern.
- Wiederaufnahme der Versorgung in Verantwortung der UNO. Die UNRWA wird nicht erwähnt.
- Unterstützung eines unabhängigen palästinensischen Staates und einer 2-Staaten-Lösung. Es fehlt aber eine Forderung, dass Deutschland diesen anerkennt. International haben dies ja viele Staaten getan, in der EU auch Irland und Spanien. Frankreich steht wohl kurz davor. In der Diskussion ist auch eine 1-Staaten-Lösung, aber zugegeben, dies ist vielleicht völlig illusorisch.
- Verurteilung der Siedlergewalt, aber nichts zum Thema Räumung der von Israel nach Völkerrecht widerrechtlich besetzten Gebiete.
- Die strafrechtliche Belangung von Kriegsverbrechen und Völkermord, dies jedoch mit dem Zusatz, wenn nachgewiesen. Was das konkret für die Person von Netanjahu bedeutet, ist unklar. Soll ein Prozess ohne ihn stattfinden und soll er dann erst bei Verurteilung festgenommen werden?
- Förderung des Dialogs zwischen israelischen palästinensischen Gewerkschaften: Was der DGB hierzu konkret gedenkt zu tun, ist jedoch nicht dargestellt. Es gab mal vor mehreren Jahren eine gemeinsame Veranstaltung von DGB, Histadrut und der PGFTU in Berlin. Die war gar nicht schlecht.
Besonders unzureichend sind folgende Punkte:
- Es wird kein Stopp von Waffenlieferungen an Israel gefordert. Dabei ist Deutschland zweitgrößter Lieferant.
- Es gibt eine lange Geschichte der Gewalt, sie fängt nicht mit dem Angriff der Hamas an. Es wird jedoch weiter hinten davon gesprochen, dass gerade im Nahen Osten Gewalt weitere Gewalt provoziert hat.