PT. „Ich habe mich noch nie zuvor in Deutschland als Jüdin und Ausländerin so bedroht gefühlt wie jetzt. Es ist das erste Mal in all den Jahren, die ich hier lebe, dass ich tatsächlich Bedenken habe, meine Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern, aus Angst, ich könnte das Recht verlieren, weiterhin zu leben, wo ich lebe. Der offizielle deutsche Diskurs, auch an der Universität, an der ich studiere, setzt Juden und Jüdinnen mit Unterstützer*innen Israels gleich und bestraft diejenigen, die sich dagegen aussprechen. Das Universitätspräsidium verschickte in den Wochen nach dem 7. Oktober E-Mails an alle, in denen es hieß, dass jüdische Menschen in Gefahr seien und Grund zur Angst hätten. Sie entschieden sich dafür, anstatt anzuerkennen, dass ihre Studierenden unterschiedliche Hintergründe haben, und anstatt diesen Raum und diese Zeit als Gelegenheit zum Lernen oder zur gemeinsamen Reflexion zu nutzen. In diesen ungenauen Warn-E-Mails sehe ich die größte Gefahr. Angesichts des Aufstiegs der extremen Rechten interpretiere ich diese Warnungen eher als Drohung denn als Schutzmaßnahme.“
Das ist eine Äußerung aus einer Befragung, die das JSC (Jewish Solidarity Collective) vorgenommen hat. Das JSC ist eine Aktivist*innengruppe jüdischer antizionistischer Studierender und Universitätsmitarbeitender aus Berlin, die sich solidarisch mit Palästina zeigt. Das JSC arbeitet auf der Grundlage eines intersektionalen Verständnisses von Unterdrückung und der gemeinsamen Erkenntnis, dass die Sicherheit jüdischer Menschen nicht durch die Unterdrückung anderer Gruppen gewährleistet werden kann. Es kann erreicht werden per Mail oder über Instagram.
Das Jewish Solidarity Collective (JSC) reagiert auf den Forderungskatalog der JSUD (Jüdische Studierendenunion Deutschlands) mit einer eigenen Sammlung von Erfahrungsberichten jüdischer Studierender. Diese Stimmen widersprechen dem offiziellen Narrativ: Statt Schutz erfahren viele von ihnen Repression und politische Vereinnahmung. Die Replik kritisiert die Gleichsetzung von Antisemitismusbekämpfung mit pro-israelischer Loyalität – und zeigt, wie deutsche Hochschulen jüdische Identität zur Legitimation autoritärer Politik instrumentalisieren.
Am 15. Oktober 2025 legte die JSUD (Jüdische Studierendenunion Deutschlands) den Wissenschaftsminister*innen der Bundesländer auf der Wissenschaftsministerkonferenz im Rahmen der Kultusministerkonferenz (KMK) einen Forderungskatalog mit dem Titel „Wissenschaftsfreiheit verteidigen heißt Antisemitismus bekämpfen!“ vor. Der Forderungskatalog dürfte wohl in den kommenden Tagen auf der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) diskutiert werden, da er Forderungen enthält, die sich speziell an die HRK richten. Das Dokument der JSUD präsentiert außerdem die Ergebnisse einer Umfrage, in der studentische Erfahrungen mit Diskriminierung auf dem Campus beschrieben werden, darunter beunruhigende Berichte über Antisemitismus.
In den Abbildungen des Katalogs werden klare und verstörende Beispiele für unbestreitbaren Antisemitismus neben Äußerungen der Solidarität mit Palästinenser*innen platziert, ohne dass zwischen diesen Kategorien unterschieden wird. So wird beispielsweise ein Bild des Graffitis „Juden -> Auschwitz“ mit einem Graffiti mit dem Schriftzug „Free Palestine“ collagiert, wodurch eine Verbindung oder sogar Bedeutungsgleichheit zwischen den beiden Aussagen suggeriert wird (S. 42). Viele der Textbeiträge in diesem Dokument vermitteln den Eindruck von Einseitigkeit und Voreingenommenheit. Die Auswahl der befragten Studierenden erfolgte nach dem „Schneeballprinzip“ durch „die Kanäle der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD)“ und „über Netzwerke des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft“. (S. 23). Diese Methode der Datenerhebung kann leicht ein Bild von Einheitlichkeit erzeugen. Die in dem Bericht beschriebenen Erfahrungen spiegeln jedoch in keiner Weise die Erfahrungen unseres Alltags als jüdische Studierende wider. Unserer Ansicht nach leistet das Dokument lediglich Lippenbekenntnisse zur Achtung der Vielfalt des jüdischen Lebens, während alle relevanten jüdischen Perspektiven, die nicht mit der dargestellten Meinung übereinstimmen, ausgeschlossen werden.
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